Vertrauen

Die Grundlage für gute Kooperation
Lernformat Designing.Events 2024

Vertrauen ist ein Kernelement von psychologischer Sicherheit. Nur eine weitgehend angstfreie Atmosphäre ermöglicht offene Diskussionen, gemeinsame Kreativität und nachhaltiges Lernen.

Vertrauen bei Veranstaltungen

Weltweite Studien zeigen, dass ein hohes Maß an psychologischer Sicherheit der wichtigste Schlüssel für den Erfolg von Teams ist. Diese Sicherheit äußert sich in einer angstfreien Atmosphäre. Menschen trauen sich, unbequeme Meinungen zu äußern, auch mal Kritik an Führungskräften zu üben und Fehler einzugestehen, um daraus zu lernen. Dies lässt sich nahtlos auf Veranstaltungen und deren Gruppendynamik übertragen. Teilnehmende öffnen sich nur dann für Begegnung, Austausch und Co-Kreation, wenn sie sich sicher, in ihrer Persönlichkeit akzeptiert und wertgeschätzt fühlen.

Wenn Teilnehmende ein Event buchen, geben sie damit dem Veranstaltenden einen Vertrauensvorschuss. Aufgrund der Reputation gehen sie davon aus, dort gut aufgehoben zu sein. Auch eigene gute Erfahrungen sowie überwiegend positive Bewertungen und Ratings vergangener Events können im Vorhinein vertrauensbildend wirken.

Vertrauen ist eine sehr fragile Angelegenheit: Es kann lange dauern, bis es aufgebaut und gefestigt ist. Und es kann in Sekunden verschwinden, wenn Menschen enttäuscht, verletzt oder verraten werden.

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Vertrauen bilden ...

... in der Einladungsphase

Vertrauensbildung kann bereits mit der Art der Einladung beginnen. Zum Beispiel indem betont wird, dass alle Persönlichkeitstypen willkommen sind, schnelle und langsame, laute und leise Charaktere, Menschen mit Einschränkungen. Man kann darauf hinweisen, dass alle, wirklich alle Beiträge geschätzt werden – und auch die Nicht-Beiträge, wenn Menschen sich in einer bestimmten Situation einfach nur unterhalten und informiert werden wollen.

Matching-Tools, die im Vorfeld online angeboten werden können für Vertrautheit sorgen, indem sie den Teilnehmenden Menschen mit ähnlichen Interessen, Fragen und Kompetenzen vorstellen und sie miteinander in Kontakt bringen.

Wenn wir Vertrauen zu anderen entwickeln, entsteht dadurch auch Vertrauen in uns selbst – und umgekehrt.
Podcast #48 Vertrauen Bestseller-Autorin Verena Kast

... beim Eventdesign

Planen Sie zu Beginn einer Veranstaltung genügend Zeit zum Kennenlernen und für vertrauensbildende Maßnahmen ein. Dies kann nicht genug betont werden, da die Organisatorinnen und Organisatoren oft nicht die Geduld für diese Phase aufbringen. Sie drängen darauf, von der ersten Minute an Inputs zu geben und Ergebnisse zu produzieren. 

Das ist aber zu kurz gedacht. Die Erfahrung zeigt: Vertrauen ist der soziale Schmierstoff, der - wenn genügend aufgebaut ist - die „Produktivität“ später enorm steigert. Kooperation und Kreativität werden einfach und leicht.

Drei goldene Regeln fürs Eventdesign:

  • Vertrauen durch Stimmigkeit: Es muss während des Events passieren, was angekündigt war. Zeiten sollten eingehalten werden. Muss der Ablauf geändert werden, dann am besten gemeinsam mit den Teilnehmenden. So entsteht ein Rahmen, dem man vertrauen kann.
  • Vertrauen durch Transparenz: Sinn und Zweck der Veranstaltung sollten allen bekannt sein. Den Teilnehmenden wird erklärt, wie Inhalte und Formate auf den Purpose einzahlen. Das gibt Orientierung.
  • Vertrauen durch Settings: Menschen wollen einander in die Augen sehen können, Blickkontakt ist eine uralte Methode, um festzustellen, ob man jemandem (Fremdes) vertrauen kann. Ergo sollten Sitzordnungen Augenkontakt ermöglichen. 

Zahlreiche Formate und Übungen haben sich bewährt, um Menschen in einen vertrauensvollen Kontakt zu bringen.

  • Minidialog: Der Minidialog ist ein einfaches, aber wirkungsvolles Gesprächsformat für einen kurzen Austausch in Zweier- oder Dreiergruppen. Jede Person erhält eine festgelegte Redezeit, um eigene Gedanken zu einem Thema zu teilen – ohne unterbrochen zu werden. Die Gesprächspartner:innen hören aufmerksam und möglichst vorurteilsfrei zu, ohne sofort zu bewerten oder zu reagieren. Der Minidialog eignet sich besonders gut für einen ersten Einstieg in vertrauensvolle Gespräche und schafft schnell Nähe und Verständnis – auch in kurzer Zeit.
  • Tetralog: Der Tetralog ist ein kraftvolles, vertiefendes Format zur Vertrauensbildung in Gruppen von vier Personen.  Jede:r Teilnehmende hat sechs Minuten Zeit, um frei über zwei Fragen zu sprechen: Wer bin ich? Warum bin ich hier? Während dieser Zeit wird nicht unterbrochen – die anderen hören aktiv zu, ohne zu bewerten oder innerlich zu kommentieren. Im Anschluss geben die drei Zuhörenden jeweils eine Minute lang ein positives und wertschätzendes Feedback: Was hat mich berührt, inspiriert oder mir eine neue Perspektive eröffnet? Diese strukturierte Offenheit fördert Vertrauen, Empathie und gegenseitiges Verständnis – auch (oder gerade) unter Menschen, die sich vorher nicht kannten.
  • Soziometrische Aufstellung: Klingt kompliziert , ist aber leicht anzuleiten. Entlang von Fragen positionieren sich die Gäste im Raum: Wer ist wie weit angereist? Wer weiß wie viel über das Thema? Wer mag (oder hasst) welche Fernsehserie? Wer arbeitet in welchem Bereich? Es entstehen erste Gespräche und ein Überblick, wer heute dabei ist.
  • Gemeinsamkeiten entdecken: Zwei Personen, die sich noch nicht kennen, bekommen die Challenge, innerhalb von ein, zwei Minuten mindestens drei Gemeinsamkeiten zu entdecken. Danach kommen zwei Paarungen zusammen und für alle vier gilt die gleiche Herausforderung. Ergebnis: Es tut Menschen gut zu wissen, dass man Hobbys, Leidenschaften und Werte mit den anderen im Raum teilt.
  • Blind malen: Die Teilnehmenden erhalten Blöcke mit kleinen Post-it-Zetteln, stehen sich zu zweit gegenüber und zeichnen sich gegenseitig als Porträt – ohne auf den Zettel zu schauen. Blickkontakt ist unvermeidlich, und da beim Blindmalen skurrile Skizzen entstehen (Picasso lässt grüßen), ist der Raum bald mit Gelächter erfüllt – das verbindet.

… durch empathische Moderation

Die Moderatorin oder der Moderator könnte zu Beginn einer Session Grundregeln von Respekt, Achtsamkeit, Zuhören und Wertschätzung etablieren. So entsteht gefühlt ein Safe Space, dem man vertrauen kann. Wichtig ist, dass die Moderation die verkündeten Prinzipien auch selbst lebt. Wenn sich Moderator:innen und Referent:innen darüber hinaus selbst öffnen und etwas von sich preisgeben, ist das ein vertrauensbildendes Signal für alle im Publikum: Hier darf ich so sein, wie ich bin.

Aus eigener Erfahrung

Im micelab:explorer, einer Art Forschungslabor für lebendige Veranstaltungen, ist der Einstieg mit dem Tetralog zur Tradition geworden. Bei dieser Übung kommen vier Personen zusammen. Die äußeren Regeln sind einfach: Jede:r hat sechs Minuten Zeit, um über zwei Fragen zu sprechen: Wer bin ich? Warum bin ich hier? Er/sie darf nicht unterbrochen werden. Danach haben die anderen drei jeweils eine Minute Zeit, um ein positives Feedback zu geben.

Noch interessanter sind die inneren Regeln. Für den Sprechenden: Aus dem Herzen und aus dem Moment heraus sprechen, unvorbereitet sein und darauf vertrauen, dass das Wesentliche zum Ausdruck kommt. Für die Zuhörenden: „Aktives Zuhören“, sich dem anderen öffnen, ohne ein inneres „Aber“, ohne Be- oder gar Abwertung.

"Der Effekt beeindruckt mich jedes Mal. Selbst wenn sich die Teilnehmenden schon kennen, führt dieses Format zu einem tieferen Verständnis und belastbarem Vertrauen. Bei Großveranstaltungen erlebe ich, dass die Atmosphäre im Saal nach der Übung eine völlig andere ist als 36 Minuten zuvor: entspannte Gesichter, viel Lachen, leuchtende Augen."

Für die psychologische Wirkung dieser einfachen Intervention gibt es wissenschaftliche Erklärungen. Der Mensch als soziales Wesen will gesehen, gehört und anerkannt werden. Wenn Teilnehmende Wertschätzung für ihr Hiersein und ihren Beitrag erfahren, können sie sich entspannen und öffnen: Sie können vertrauen.

"Der Effekt beeindruckt mich jedes Mal. Selbst wenn sich die Teilnehmenden schon kennen, führt dieses Format zu einem tieferen Verständnis und belastbarem Vertrauen."
Michael Gleich Kurator & Begleiter micelab:bodensee